Dieser Leitfaden erklärt, wann ein Betreuerwechsel sinnvoll ist, wie Sie dabei vorgehen und welche Rahmenbedingungen den Wechsel heute erschweren. Er richtet sich an Betroffene, Angehörige und Fachstellen.
Ein Wechsel ist sinnvoll, wenn Erreichbarkeit und Verlässlichkeit nachhaltig fehlen, Krisen nicht ernst genommen/koordiniert werden, die fachliche Passung (z. B. traumasensible Begleitung) nicht gegeben ist, Anträge/Fristen liegen bleiben oder das Vertrauen dauerhaft gestört ist. Der Wechsel wird beim Betreuungsgericht angeregt; eigene Vorgespräche mit möglichen neuen Betreuer:innen beschleunigen die Umsetzung. Parallel unterstützt die Betreuungsbehörde – realistisch muss jedoch mit Wartezeiten gerechnet werden. (Hannover)
Auswertung: Treffen mindestens drei Punkte zu, Wechsel prüfen. Bei Gefahr sofort medizinische Hilfe (z. B. 112/ÄBD) und Gericht informieren.
Typische Warnsignale sind wochenlange Funkstille, bagatellisierte Krisen, fehlende fachliche Passung (z. B. bei Trauma/DIS/Autismus), Organisationsmängel (versäumte Fristen, verlorene Unterlagen) und ein festgefahrenes Verhältnis ohne Klärungsbereitschaft. Ein Einzelfehler ist kein Wechselgrund – Wiederholung und Verweigerung der Klärung schon.
Die Nachfrage nach rechtlicher Betreuung steigt seit Jahren; aktuell sind in Deutschland rund 1,3 Mio. Menschen unter Betreuung (nahezu doppelt so viele wie Mitte der 1990er-Jahre). Das erhöht den Druck auf Gerichte, Behörden und Berufsbetreuer:innen. (Berufsbetreuung)
In Niedersachsen wurden schon 2018 über 160.000 Betreuungen gezählt (durchschnittliche Dauer: 7,3 Jahre). Die Fälle werden nicht nur mehr, sie bleiben auch lange bestehen – das verengt die Kapazitäten zusätzlich. (Niedersachsen Justizministerium)
Hinzu kommt, dass ein großer Teil der neu eingerichteten Betreuungen ältere Menschen betrifft (2023 bundesweit > 55 % in den Altersgruppen 61–90 Jahre). Der demografische Wandel stabilisiert die hohe Grundlast. (KVJS)
Verbände und Studien kritisieren seit Jahren eine Überalterung in der Berufsgruppe und Nachwuchsprobleme – bei gleichzeitig zu geringer Vergütung/Zeitetats. Das ZDF beleuchtete 2025 die Lage („Rechtliche Betreuer am Limit“), Verbandsberichte und frühere BMJ-Studien verweisen auf Mehrarbeit gegenüber der bezahlten Zeit (Ø 4,1 Std. geleistet vs. 3,3 Std. bezahlt pro Monat und Fall). Das führt zu hohen Fallzahlen je Betreuer:in und erschwert Neuakquise. (Berufsbetreuung)
Fazit: Auch mit Hilfe der Betreuungsbehörde (z. B. Region Hannover: „Team Betreuungsangelegenheiten“) dauert die Suche häufig länger; deswegen ist es sinnvoll, selbst aktiv Vorgespräche zu führen und eine Wunschperson zu benennen. (Hannover)
Traumasensible Arbeit stellt Stabilisierung vor Tempo, spricht klar und validierend, sichert Absprachen schriftlich und bindet das Hilfenetz (Therapie/Ärzt:innen/Assistenz/Krisenplan) ein. Fehlt dies dauerhaft und bleiben Klärungsversuche erfolglos, ist ein Wechsel angezeigt.
Ein Wechsel erfolgt selten im „leeren Raum“. Offene Konflikte, enttäuschte Erwartungen, zeitkritische Anträge oder gar akute Krisen sind oft vorhanden. Neue Betreuer:innen müssen Sachstand erheben, Netzwerke stabilisieren, Fristen retten und Beziehung aufbauen – ein hoher Einarbeitungsaufwand, der nicht vollständig durch die Pauschalvergütung abgebildet wird (s. u.). Frühzeitige Erwartungsklärung („Was geht sofort, was braucht Zeit?“) schützt vor neuen Enttäuschungen.
Die Vergütung beruflicher Betreuer richtet sich nach monatlichen Fallpauschalen. Maßgeblich sind Dauer der Betreuung, Aufenthaltsort (stationär/andere Wohnform) und Vermögensstatus (mittellos/nicht mittellos). Für die Dauer unterscheidet das VBVG fünf Zeiträume (u. a. 0–3 Mon., 4–6 Mon., 7–12 Mon., 13–24 Mon., ab 25 Mon.). Mit zunehmender Dauer sinken die Pauschalen – d. h. ab dem 25. Monat (also nach zwei Jahren) wird weniger vergütet als im ersten Jahr. Bei einem Betreuerwechsel zählt für die Stufenzuordnung der Beginn der ursprünglichen Betreuung, nicht der Wechselzeitpunkt. (Gesetze im Internet)
Ausblick: Nach einem aktuellen Gesetzesvorhaben sollen die Zeiträume künftig auf zwei Stufen (0–12 Mon./ab 13. Monat) reduziert werden; Übergänge sind vorgesehen. Bis zum Inkrafttreten gilt jedoch das bestehende System. (BMJV)
Praktische Folge: Wer bereits > 2 Jahre betreut wird, fällt in eine niedrigere Pauschale. Ein neuer Betreuer übernimmt dann häufig komplexe Einarbeitung bei reduzierter Vergütung – das erklärt, warum Zusagen bei betreuungsintensiven Wechseln teils schwer fallen. (Buzer.de)
Hinweis mittellos/nicht mittellos: Die Pauschalen unterscheiden sich nach Vermögensstatus; die Kriterien und Tabellen finden sich direkt im Gesetz und begleitenden Übersichten. (Gesetze im Internet)
Studien zeigen seit Jahren eine Lücke zwischen bezahlter und tatsächlich benötigter Zeit (Ø 3,3 Std. bezahlt vs. 4,1 Std. Arbeit/Fall/Monat). In der Praxis „frisst“ eine Übernahme zunächst Recherche/Einarbeitung/Koordination, ohne dass zusätzliche Pauschalen greifen. Folglich müssen neue Betreuer:innen Übergaben priorisieren (Krisen/Existenzsicherung zuerst). Für Klient:innen heißt das: Transparente Prioritäten und Dokumentation beschleunigen die Stabilisierung. (Berufsbetreuung)
Die Betreuungsbehörde berät, nimmt Wünsche auf, prüft Eignung/Kapazitäten und schlägt Bewerber:innen vor. In der Region Hannover übernimmt dies das „Team Betreuungsangelegenheiten“. Aufgrund der gesamtdeutschen Engpässe können Suchläufe aber Monate dauern – parallel eigene Kontakte aufzubauen, bleibt der effektivste Weg. (Hannover)
A) Klärungsbitte an die aktuelle Betreuung
Betreff: Bitte um Klärung und Termin – [Name], Az. [falls bekannt]
Sehr geehrte/r [Name],
ich möchte folgende Punkte besprechen: [1–3 Punkte].
Bitte schlagen Sie mir innerhalb von 14 Tagen einen Termin vor und teilen Sie mit,
wie die offenen Fristen/Anträge bearbeitet werden.
Mit freundlichen Grüßen
[Name, Kontakt]
B) Anregung eines Betreuerwechsels beim Gericht
An das Betreuungsgericht [Ort]
Betreff: Anregung eines Betreuerwechsels – [Name], Az. [falls bekannt]
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit rege ich gemäß §§ 1814 ff. BGB den Wechsel der rechtlichen Betreuung an.
Begründung in Kürze:
1) [Datum/Anlass] – [keine Reaktion/versäumte Frist]
2) [Datum/Anlass] – [keine Krisenreaktion]
3) Fachliche Passung fehlt (z. B. traumasensible Begleitung erforderlich).
Ich schlage [Name, Anschrift, Kontakt] als neue/n Betreuer:in vor.
Eine Bereitschaftserklärung liegt bei / wird nachgereicht.
Mit freundlichen Grüßen
[Name, Anschrift, Kontakt]
Anlagen: Kontaktprotokoll (Auszug), Nachweise, ggf. Bereitschaftsschreiben
Dokumentation
Wunsch-Betreuung
Für das Gericht
Nach der Entscheidung
Muss ich „Beweise“ liefern?
Nein. Konkrete Beispiele und Unterlagen helfen dem Gericht.
Darf ich mir jemanden aussuchen?
Ja, Wunschpersonen werden berücksichtigt, wenn Eignung und Kapazität gegeben sind.
Wie lange dauert das?
Unterschiedlich. Wegen Kapazitätsmangels kann es dauern; eigene Vorgespräche beschleunigen.
Was ist bei akuter Gefährdung?
Sofort medizinische Hilfe holen und das Gericht umgehend informieren; Eilmaßnahmen sind möglich.
Was passiert mit laufenden Anträgen?
Sie laufen weiter; die neue Betreuung übernimmt die Koordination.
Ein Wechsel betrifft alle Beteiligten. Wir achten auf sachliche Kommunikation, geordnete Übergaben und Würde – keine öffentlichen Namensnennungen.
Dieser Text ersetzt keine Rechtsberatung. Abläufe können regional variieren. Maßgeblich ist die Entscheidung des Betreuungsgerichts.
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